10 Fragen an Dirk Poschenrieder

In unserem Format „Oberwasser“ nehmen wir uns die Zeit, mit Entscheidern sowie Spezialisten aus der Kommunikationsbranche zu sprechen und ihnen auf den Zahn zu fühlen. In Oberwasser werden substanzielle Insights zum Business und der Branche geliefert, von denen, die es genau wissen, wie Dirk Poschenrieder.

  • Name: Dirk Poschenrieder
  • Job / Firma: Managing Director Havas Life
  • Mein Corona-Skill (Dinge, die ich während Corona gelernt habe): Das Remote-Pitches auch Spaß machen können. Aber auf gar keinen Fall eine LIVE Präsentationen ersetzen können.
Dirk Poschenrieder
  1. Auf welcher Plattform hat man dich während des Lockdowns am meisten gefunden und welcher Content hast du dort konsumiert?
    Einer meiner Lieblingskanäle ist und bleibt Twitter. Auch wenn die ganze “negative Kommunikation” rund um Corona oft sehr anstrengend war. Das war auch einer der Gründe, weshalb ich Facebook ferngeblieben bin. Ein weiterer Kanal, den ich während der Zeit sehr zu schätzen gelernt habe, ist Instagram. Nette Bildchen. Keine Verschwörungstheorien. Keine negativen Posts. So einfach kann das Leben sein.
  2. Wie bleibst du trotz Distanz beruflich und privat in Kontakt?
    Wir sind zwar bereits seit Mitte Mai wieder zurück im Büro (und das klappt auch super), aber vermeiden – so gut es geht – jede Geschäftsreise. Internationale Flüge zu internen Network-Meetings sind weiterhin untersagt. Meinen letzten Flug hatte ich beispielsweise Ende Februar oder so (hab daher auch ein wenig Angst um meine Meilen bei Miles & More).
  3. Seit Corona ist kein Tag wie der andere und Entscheidungen, die du gestern getroffen hast, sind heute schon wieder egal. Wie motivierst du dich dennoch jeden Tag aufs Neue?
    Aber darum geht es doch immer in unserem Job und besonders als Führungskraft. Du triffst zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Entscheidung. Nach bestem Wissen und Gewissen. Und es kann sein, dass sich in kürzester Zeit etwas ändert und du neue Entscheidungen treffen musst oder alte Entscheidungen revidieren kannst. Da sehe ich keine großen Unterschiede zum „normalen Businessalltag“. Der „Vorteil“ bei Corona, wenn man es denn so formulieren möchte, ist, dass niemand Erfahrungen mit solch einer Art von Krise hat. Da gibt es kein falsch oder richtig. Da muss man teilweise auch auf sein Bauchgefühl hören, zuhören was die Experten so sagen und es für sich bewerten.
  4. Wie wird die Corona-Krise dein Arbeitsumfeld langfristig beeinflussen?
    Du meinst jetzt sicherlich auch das Thema Homeoffice, oder? Das gab es schon vorher bei uns. Das bedeutet keine große Veränderung bei uns. Was ich jedoch hoffe ist, dass auch Kunden langsam eingesehen haben, dass nicht jedes Meeting live vor Ort sein muss und man viele (wenn auch nicht alle) Dinge auch per Videocall lösen kann. Man macht ja in unserem Business schon viele verrückte Sachen wie beispielsweise ein Flug von Düsseldorf nach München für ein einstündiges Meeting. Oder ein Meet & Greet als Vorauswahl für einen Pitch in Genf. Ich glaube, das braucht es wirklich nicht mehr. Und das ist gut für unsere Umwelt und das Klima.
  5. Glaubst du, Deutschland hat Corona gebraucht, um den digitalen Wandel voranzutreiben?
    Nein! Gebraucht ist sicherlich der falsche Begriff. Und Zoom-Meetings sind sicherlich kein digitaler Wandel. Wenn der ganze Mist vielleicht etwas Gutes gebracht hat, dass man nun endlich einmal sieht, wie weit Deutschland beim Thema Digitalisierung eigentlich NICHT ist. Ich möchte hier nur das Thema Schule ansprechen. In der Schule meiner Tochter in NRW (sie ist in der Oberstufe), hat während des Lockdowns KEIN (digitaler) Unterricht stattgefunden. Und ich meine wirklich damit kein Unterricht. Wenn sich überhaupt einmal ein Lehrer gemeldet hat, dann wurden die Aufgaben per Mail als Bild, welches aus dem Lehrbuch abfotografiert wurde, verschickt. Erklärungen? Hilfestellungen? Fehlanzeige! Möglicherweise wird der „digitale Wandel“ in der Schule nun beschleunigt und man geht fokussierter an die Sache ran? Ich hoffe es jedenfalls, aber die Situation ist im Jahre 2020 schon echt erschreckend.
  6. Wer ist dein „hidden Champion“ in der Corona Krise?
    Hach! Gute Frage. „Hidden Champions“ sind für mich all die Unternehmen, die es schaffen aus der Krise einigermaßen heil heraus zu kommen und die Arbeitsplätze der Mitarbeiter sichern. Egal ob Pizzeria, Werbeagentur oder Malerbetrieb. Denn nichts ist für Menschen belastender, als in Krisenzeiten auch noch ihre Aufgabe und somit den Job zu verlieren und neu suchen zu müssen.
  7. Ist Corona für dich noch das bestimmende Thema oder sind Themen wie #blacklivesmatters, Trump oder der nächste Mallorca Urlaub wichtiger?
    Natürlich treten nun langsam wieder andere Themen in den Vordergrund, aber Corona wird uns, so glaube ich jedenfalls, noch für eine sehr, sehr lange Zeit begleiten. Mal mehr und mal weniger intensiv. Aber es ist doch auch schön, dass andere Themen wieder langsam an Bedeutung gewinnen. Familie und Freunde treffen. Die Einschulung meines Neffens. Wird Werder Bremen eine bessere Saison als im letzten Jahr spielen (ein sehr persönliches Thema für mich)?
  8. Glaubst du, Corona hat dich und uns alle kritischer gemacht?
    Ich beziehe das nun nicht auf mich, aber ich empfinde es teilweise so, dass die Menschen nicht kritischer im Sinne von “Diskurs” geworden sind, sondern eher dünnhäutiger und teilweise auch aggressiver. Corona hat ein Brennglas auf unsere Gesellschaft gerichtet und ein Teil folgt den Ratschlägen der Politik und Wissenschaft und ein (zum Glück) geringer Teil nicht. Aber die Kommunikation untereinander wird härter. Wenn man sich beispielsweise auf Facebook umschaut, dann wimmelt das nur so von Corona, Verschwörungstheorien, Pro/Contra Trump … das ist einer der Gründe, weshalb ich dort kaum noch zu finden bin. Das ist mir einfach viel zu anstrengend und bringt mir persönlich rein gar nichts. Vielleicht es nun an der Zeit, den Account dort zu löschen? Aber hierzu habe ich noch keine finale Entscheidung getroffen.
  9. Glaubst du, Marken / Firmen müssen jetzt auf diese Themen reagieren oder sollten sie es lieber ignorieren?
    Gute Frage. Da bin ich ein wenig unschlüssig. Es muss zur Marke passen und authentisch sein. Wenn ich in der Lockdown-Phase den x-ten Spot, beispielsweise von einem Automobilhersteller sehe, der Pflegekräfte bejubelt, dann fühlt sich das nicht echt an und nervt nur noch. Purpose um des Purposes willen war noch nie sinnvoll und ein guter Ratgeber. Ich glaube aber in der Zwischenzeit wirklich, dass Konsumenten gerne auch mal wieder etwas anderes sehen/hören möchten.
  10. Dein Tipp, um Oberwasser in Zeiten von Corona zu behalten
    Eine Runde mit meinem Hund drehen (sie läuft nun endlich ohne Leine und ich bin mega stolz darauf!) oder einfach mal auf die Harley steigen und ohne Handy und Ziel durch die Gegend fahren. Das verschafft mir Oberwasser! Da komme ich runter und kann entspannen.