Die digitale Nachrichtenlage aus Sicht der Social Media

Einen tiefen und global ganz konkreten Blick in die Nutzung von Nachrichten in digitalen Medien gibt der umfangreiche Digital News Report 2017. Die Meinungsforscher von YouGov befragten im Auftrag des Reuters Institute und der University of Oxford über 70.000 Nutzer von Online-Nachrichten aus 36 Ländern in Amerika, Asien und Europa. Sie wollten wissen, welche Online-Medien sie wie oft als Nachrichtenquellen nutzen – bewusst, eher zufällig oder beiläufig.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass auch in Sachen Nachrichten die Social Media die Online-Nase vorn haben. Über alle Länder hinweg nutzen im Schnitt nämlich 54 Prozent der Befragten Soziale Medien als Nachrichtenquelle. 14 Prozent geben gar an, die Social Media als Hauptinformationsquelle für Nachrichten zu nutzen. Andererseits zeigen die Abweichungen vom Durchschnitt nach oben wie nach unten, wie groß die Unterschiede in den jeweiligen Ländern sind: Während nämlich in Chile 76 Prozent angeben, Social Media wöchentlich als einen Informationskanal für News zu nutzen, sind es in Deutschland und Japan nur 29 Prozent.

Ebenso zeigt sich, dass mit höherem Alter auch die stärkere Hinwendung zu den klassischen Medien (TV, Print und Radio) zunimmt, während die jüngere Altersgruppe Nachrichten eher online und speziell über Social Media konsumiert.

Nachrichten in Social Media: Ein mindestens zweischneidiges Schwert

Auch wenn Social Media weltweit eine wichtige Rolle als Informationsquelle für Nachrichten spielen, sind sie dennoch nicht unumstritten und ihre Nutzung sowie Rezeption keineswegs homogen. Umso weniger erstaunlich scheint es somit, wenn nur gut ein Viertel der Befragten angibt, dass Social Media gute Arbeit in Sachen Trennung von Fakten und Fiktion leistet, während 40 Prozent das von anderen Online-Nachrichtendiensten denken. Insgesamt, so die Ergebnisse, glauben die User, dass die Kombination zwischen fehlenden Regeln und der Macht der Algorithmen dazu beitragen, dass die Qualität der News auf Social Media eher unterdurchschnittlich ist und dass Fake News sehr viel schneller verbreitet werden können. Eine Konsequenz hieraus ist, dass 29 Prozent der Befragten sagen, Nachrichten manchmal schlicht und ergreifend zu meiden – weil sie Angst haben, dass es ihre Stimmung trüben könnten oder auch, weil sie den News nicht trauen.

Zudem spüren Facebook, Twitter, YouTube und auch Instagram den Wettbewerb durch Messenger-Dienste, allen voran WhatsApp und Facebooks Messenger. Hieran nämlich, so der Digital News Report 2017, schätzen die Nutzer vor allem, dass Nachrichten über diese Deep-Social-Kanäle privater und ungefilterter in Sachen Algorithmen sind. Und damit irgendwie auch authentischer.

Im Vergleich zu 2016 legten Messenger über alle Anbieter hinweg als Kanal für das Lesen, Diskutieren und Teilen von News um 15 Prozent zu. In Ländern wie Malaysia sind es knapp über die Hälfte der Konsumenten, die WhatsApp als wöchentliche Infoquelle für Nachrichten nutzen, in Brasilien 46 Prozent und in Spanien fast ein Drittel. In den USA sind es jedoch nur 3 Prozent. Zudem fällt in anderen Ländern die Wahl auf andere Messenger: WeChat beispielsweise dominiert in Asien, während man in Südkorea auf die Eigenmarke Kakao Talk setzt, um News zu lesen und zu verbreiten.

Dennoch stellen die Wachstumsraten der Messenger keine Bedrohung für den Stellenwert der Social Media (auch) als Nachrichteninformationsquelle dar. Denn 78 Prozent der Messenger-Nutzer sind Multiple-Network-User, nutzen also zusätzlich zu ihrer Messenger-Anwendung wöchentlich mindestens auch eine Social-Media-Plattform. 32 Prozent nutzen sogar zwei oder mehr. In Sachen Facebook, zu dem ja auch WhatsApp und Instagram gehören, zaubern diese Zahlen ein breites Grinsen in das Gesicht von Mark Zuckerberg und den Aktieninhabern. Beide werden zudem gerne vernehmen, dass dem Digital News Report zufolge 80 Prozent der Befragten mindestens einmal pro Woche eine Anwendung aus der Facebook-Familie in die Hand nehmen.

Sind Social Media hilfreiche, aktiv genutzte oder eher beiläufige Informationsquellen?

Neben der Qualität der Nachrichten, die man über Social Media entdecken und lesen kann, stellten die Forscher auch die Fragen danach, wie User überhaupt Social Media als Newsquelle nutzen – also bewusst nach Nachrichten auf Facebook, Twitter, YouTube und Co. suchen oder doch eher beiläufig darauf stoßen. Über alle Länder hinweg gab fast ein Fünftel der Befragten an, dass Facebook eine hilfreiche Informationsquelle sei, während über ein Viertel sagte, dass sie über Nachrichten auf Facebook gestoßen seien, ohne wirklich danach zu suchen. Immerhin 23 Prozent kamen bei ihren Facebook-Besuchen in keinerlei Kontakt zu News.

Auf YouTube gehen nur 10 Prozent auf aktive Nachrichtensuche, während ebenso 10 Prozent eher beiläufig darauf stoßen und 39 Prozent die Plattform nicht für das Finden und Lesen von Nachrichten nutzen.

Twitter schließlich scheint die unpopulärste Newsquelle zu sein. Nur 6 Prozent werden hier in Sachen Nachrichten aktiv fündig, 3 Prozent stoßen zufällig auf News und 11 Prozent nutzen den Kurznachrichtendienst ohne Nachrichtenfokus.

Ein denkwürdiger Querverweis: Der Prozentsatz der Befragten, die Angaben Twitter zu nutzen (20 Prozent), entspricht fast der Anzahl der User, die Facebook als nützliche Informationsquelle für Nachrichten sehen (19 Prozent).

Echo-Kammern

Dass die Art und Weise, wie Nutzer Nachrichten konsumieren und welche Medien und Plattformen sie dafür nutzen, immer heterogener wird, zeigen andere Ergebnisse der Reuters- und Oxford-Studie. Denn neben den Social Media und klassischen Medien tauchen zum ersten Mal überhaupt auch die digitalen Sprachassistenten als Informationsquelle für News auf – allen voran Amazon Echo und Google Home. Dass sie überhaupt eine Rolle spielen, verdanken sie in erster Linie Publishern wie CNN, BBC und dem Spiegel. Die nämlich haben extra für diese Geräte entworfene Nachrichten- und Wetter-Anwendungen geschaffen. Zumindest in den USA und in Großbritannien werden sie seither auch als Newslieferanten genutzt und schlagen in dieser Hinsicht sogar Smartwatches. Zudem hat Alexas Siegeszug Amazons Stellung als viergrößter Player auf dem Nachrichtenmarkt untermauert. Insgesamt könnten die smarten Lautsprecher dem Radio und dem Smartphone in Sachen Informationsquellen in naher Zukunft den Rang ablaufen.

Lesen, sehen, hören

Auch wenn es bei Alexa, Google Home und Co. Nachrichten auf die Ohren gibt, bevorzugen 71 Prozent aller Befragten immer noch Nachrichten in Textformat, während 14 Prozent Videos und Text in gleichen Maßen nutzen. Auf einige Kernländer heruntergebrochen, fällt die Textlastigkeit der Nachrichtennutzer in Großbritannien auf, wo 74 Prozent das Online-Wort bevorzugen, während es in Deutschland nur 61 Prozent sind und 13 Prozent bewegte Bilder und Texte gleichermaßen präferieren. Für Nachrichten in Textformat spricht vor allem die Möglichkeit, (gesuchte) Informationen schneller erfassen zu können, während Videos die Nachrichten mit Glaubwürdigkeit, Kontext und Drama garnieren. Die Textlastigkeit beim Konsumieren von Nachrichten lässt sich übrigens über alle Altersgruppen hinweg beobachten.

Ein Blick auf Deutschland

Schaut man abschließend und detaillierter auf die Ergebnisse, die der Report bezüglich Newsinformationsquellen speziell für Deutschland liefert, kann man teilweise überrascht sein und sich ebenso im globalen Trend bestätigt fühlen.

60 Prozent der Befragten, die Online-Dienste auch für andere Zwecke nutzen, wählen Webseiten, Apps und auch Social Media als wöchentliche Informationskanäle für Nachrichten. Damit liegen die Deutschen unter dem Schnitt anderer untersuchter Länder. Ebenso unterdurchschnittlich schneiden die Social Media in Sachen Infoquelle für Nachrichten ab. Nur 29 Prozent der Deutschen nutzen die Plattformen hierfür – und dass, obwohl doch beispielsweise Facebook seine Mitarbeiterzahl gerade in Deutschland massiv erhöht hat wie auch eine Zusammenarbeit mit der Fakt-Checker-Plattform Correctiv ins Leben gerufen hat, um Fake News auf Facebook schneller zu identifizieren und im News Feed zu markieren.

Auch Messenger haben in Deutschland hinsichtlich ihres Informationswerts für Nachrichten einen schweren Stand. Nur 7 Prozent nutzen vor allem WhatsApp als einzige Informationsquelle. Weniger als 2 Prozent sagen das von Social Media.

Umso verbundener ist man in Deutschland mit den klassischen Medien und hier allen voran mit den öffentlich-rechtlichen Nachrichtendinosauriern Tagesschau, Tagesthemen, heute und heute journal. Diese Formate genießen immer noch die höchste Reputation und das größte Vertrauen, wenn es um Nachrichtenquellen geht. Etwas mehr an Bedeutung verloren haben indes Print-Beststeller wie Spiegel, Stern, Focus und SZ.

Die Online-Ausgaben der Nachrichtenmagazine und Zeitungen leiden indes sehr unter der Verbreitung von Ad-Blockern, Paywalls und anderer Bezahlmodelle, für die viele Nutzer nicht bereit sind, in die Tasche zu greifen.

Was Social Media als Informationsquellen für News angeht, haben die großen Plattformen eher an Bedeutung verloren. 25 Prozent (und damit 2 Prozentpunkte weniger als 2016) nutzen Facebook, um in Sachen Nachrichten auf dem neuesten Stand zu sein. 14 Prozent gehen dazu auf YouTube, fast ebenso viele (12 Prozent) nutzen hierzu WhatsApp. Damit haben beide Formate um je 2 Zähler zugelegt. Twitter und Facebooks Messenger spielen im Nachrichtengeschäft eine eher untergeordnete Rolle.

Fazit: Der Digital News Report 2017 gibt einen ausführlichen und spannenden Überblick wie auch tiefe Einblicke darin, welche Medien weltweit die Top-Informationsquellen für Nachrichten sind. Dass das Bild weder bezüglich der einzelnen Länder oder Kontinente noch hinsichtlich der genutzten Kanäle homogen ist, überraschend nicht – genauso wenig wie der Zusammenhang zwischen wenig Vertrauen in die Nachrichten in Ländern mit polarisierten politischen und gesellschaftlichen Spektren. Auch dass die Social Media, allen voran Facebook, an Vertrauen in Sachen seriöse Nachrichten verloren haben, scheint irgendwie nachvollziehbar. Was jedoch viel interessanter ist, sind die Newcomer unter den Nachrichtenkanälen wie die großen Messenger-Player und die digitalen Sprachassistenten. Beide nämlich stellen Nachrichten-Publisher und Marketer vor neue und große Herausforderungen, was die Ansprache der Zielgruppen in diesen teils sehr privaten und verschlossenen Kommunikationskanälen angeht.