China, der Online-Gigant

Nicht nur der Investitions- und Wachstumsappetit, der China immer wieder teils ängstlich und teils anerkennend vorgeworfen wird, ist im Reich der Mitte riesig. Auch andere Dinge – und hier vor allem der Online- und Mobile-Kosmos – nehmen in und um Peking, Hangzhou, Shanghai und Shenzhen herum gigantische Ausmaße an. Wie und wo genau die Chinesen im Vergleich zu, in erster Linie, den USA in Sachen Internet, E-Commerce, News, Social Media und App stehen und wohin sie sich entwickeln, zeigt der China Internet Report von Abacus News.

Und dieser Bericht hat es in jedem Detail in sich. Bei einer Gesamtbevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen und einer Internetdurchdringungsrate von 55 Prozent, gibt es insgesamt 772 Millionen Internetnutzer und 777 Millionen Smartphone-User. 753 Millionen Chinesen gehen mit ihrem mobilen Endgerät online und 527 Millionen bezahlen mobile.

Im Vergleich dazu sehen die USA fast, aber nicht in jeder Hinsicht, blass aus. Zwar haben sie mit 327 Millionen Menschen weniger als ein Drittel der Gesamtbevölkerung Chinas, doch liegt die Internet-Penetration in den Vereinigten Staaten mit 89 Prozent weit über der der Volksrepublik. Insofern ranken die USA auch in Sachen Smartphone- und Mobile-Internetnutzung (69 respektive 72 Prozent) vor China, doch was das mobile Bezahlen angeht, hinken die USA mit einer Quote von gerade einmal 15 Prozent hinterher.

Die Big 3 in Chinas Online-Kosmos

Spricht man vom chinesischen Online-Business, dürfen drei Namen nicht fehlen: Baidu, Alibaba und Tencent. Alle drei Unternehmen verdienen den Namen Global Player, obwohl sie vornehmlich in China agieren. Doch alleine die Zahl ihrer Nutzer und ihre jeweilige Marktkapitalisierung nehmen solch große Dimensionen an, dass sie es locker mit ihren entsprechenden US-Pendants und anderen weltweiten Anbietern aufnehmen können.

  • Alibaba ist der unangefochtene (B2B) E-Commerce-Riese im Reich der Mitte. Innerhalb der Alibaba Group befinden sich weitere Marktführer wie der „hauseigene“ Payment-Dienstleister Alipay oder auch Taobao, das chinesische Pendant zu eBay. Alibabas Marktkapitalisierung liegt bei über 490 Milliarden US-Dollar.
  • Tencent vereint ähnlich wie Alibaba mehrere sehr erfolgreiche Online- und Mobile-Dienste unter seinem Dach. Dazu gehören der in China beliebteste Instant Messenger Tencent QQ ebenso wie WeChat als der Chat-Dienst Nummer 1 und zweitgrößter Mobile-Payment-Anbieter in China. Auch der Online-Bezahldienst Tenpay und der Webbrowser Tencent Traveler sind Teil der großen Tecent-Familie, die fast 480 Milliarden US-Dollar wert ist.
  • Baidu beispielsweise ist der Suchmaschinen-Platzhirsch. Alleine auf die Baidu Mobile App greifen täglich 70 Millionen aktive User zu. Zudem sucht und findet man ebenso in Japan, Ägypten, Brasilien und Thailand über Baidu – auch wenn noch über 90 Prozent in China beheimatet sind. Baidu schaut auf einen stolzen Marktwert von über 87,8 Milliarden US-Dollar.

Milliardenschwere Multiplayer

Neben ihren eigentlichen und ursprünglichen Domänen geben Baidu, Alibaba und Tencent (BAT) mittlerweile jedoch auch in anderen Zukunftsmelodien den Ton an. Von autonomen Autos, über die Blockchain, E-Sports bis hin zu FinTechs, Gaming und Sharing Economy haben BAT entweder ihre Entwicklerfinger oder ihr Kapital im Spiel und sind damit praktisch in jeder Nische der Internet-Ökonomie vertreten.

Auch hier zeigen sich deutliche Parallelen zu Amazon und Google (bzw. Alphabet), aber auch zu Facebook und Co., streben doch die Silicon-Valley-Wegbereiter immer wieder alternative Entwicklungs- und Investmentpfade in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Internet of Things, autonome Fahrzeuge, Lieferdrohnen und anderen technischen Innovationen an, die das Kerngeschäft strategisch erweitern sollen.

Kuaishou und Douyin: Kürze im Video-Fokus

Anders als die BAT-Schwergewichte setzen die Short-Video-Apps-Anbieter Kuaishou und Douyin auf die Kürze – und das vor allem in den Videos, die ihre User hochladen und gestalten. Und Nutzer gibt es reichlich. Mit Stand März 2018 waren es fast 600 Millionen aktive Short-Video-Apps-User. Der Großteil – nämlich über 50 Prozent – entfiel dabei auf den Marktführer Kuaishou. Davon waren 10 Millionen Nutzer außerhalb von China. Immerhin 124 Millionen luden ihre (Musik)-Videos auf Douyins Short-Video-Social-Plattform Tik Tok hoch. Zudem war Tik Tok im ersten Quartal 2018 die am häufigsten heruntergeladene iOS App und lag damit noch vor YouTube, WhatsApp und Facebook.

Chinesische Unicorns

Was Einhorn bzw. Unicorn auf Chinesisch bedeutet, wissen wir leider nicht. Noch nicht. Denn bald schon wird es wohl wichtig sein, diesen Begriff korrekt ins Mandarin übersetzen zu können. Schließlich gibt es alleine in den Start-up-Hotspots Peking, Hangzhou, Shanghai und Shenzhen über 130 solcher milliardenschweren jungen Unternehmen – mit eindeutigem Schwerpunkt auf Chinas Hauptstadt als größer Start-up-Hub der Volksrepublik. Dennoch ist auch Hangzhou als Hauptstadt der chinesischen Provinz Zhejiang mit fast 10 Millionen Einwohnern ein heißer Favorit für das chinesische Silicon Valley, sind doch die hier beheimateten 17 Unicorns insgesamt 240 Milliarden US-Dollar wert, während es die 61 Billion-Dollar-Start-ups in Peking zusammen nur auf 305 Milliarden US-Dollar bringen.

Die schützende Hand der chinesischen Regierung

Ziemlich treffend heißt es im China Internet Report von Abacus: „News Government Is The Visible Hand“. Damit wird die Rolle der chinesischen Regierung beim Thema Internet-Ökonomie sehr deutlich beschrieben. Restriktionen wie der Bann von Kryptowährungen und deren Handel oder auch Regulierungen, die Social Plattformen zum „Aufräumen“ zwingen, beeinflussen auf nachhaltige Art und Weise die Entwicklung im Bereich Internet, Online und Mobile. Werden kleinere Player durch staatlichen Einfluss aus dem Wettbewerb gedrängt, sichern sich die großen Player deren Marktanteile.

Beispielsweise zogen die chinesischen Regulierungsbehörden Ende 2017 die Zügel für FinTechs vor allem im Bereich Peer-to-Peer-Lending (wenn also vor allem Privatleute anderen Privatleuten über eine Plattform oder App Geld leihen) an. Das Resultat war eine Dezimierung entsprechender Anbieter, deren Anzahl um ein Drittel abnahm.

Auf der anderen Seite wird China gerade im Bereich Internet und Hightech immer wieder Protektionismus vorgeworfen wie auch massive Subventionen entsprechender Unternehmen durch die Regierung, was letztlich auch zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Umso mehr schmerzte es Peking, als Donald Trump Anfang des Monats Strafzölle auf Produkte aus der „China-Liste“ erhob. Vornehmlich auf Produkte aus dem Flugzeug-, Roboter- und Maschinenbau, die dank des chinesischen Wirtschaftsplans „Made in China 2025“ besondere Förderung erfahren. Als Gegenmaßnahme zu „erzwungenem Technologietransfer und dem Diebstahl geistigen Eigentums“, wie es in einer Ankündigung heißt.

Sollte der US-Präsident damit auch auf die „Inspirationen“ anspielen, die sich Alibaba, Tencent und Baidu bei ihren US-amerikanischen Vorbildern Amazon, eBay, Paypal, Google oder auch Netflix und WhatsApp geholt haben, kommt er wahrscheinlich einige Jahre zu spät.